Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen Fall entschieden, in dem die Kinder, 9 und 10 Jahre alt, zum Vater ziehen wollten. Sie lebten seit vier Jahren bei der Mutter. Der Vater hing sehr an den Kindern und bot ihnen das Wohnen im ehemaligen Familienheim mit Garten, Haustier und Spielmöglichkeiten.

 

Genügt der Kindeswille, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater zu übertragen?

 

Der BGH sagt in diesem Fall, nein.

 

Entscheidungen zum Aufenthalt können nur geändert werden, wenn triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe dafür sprechen § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB). Ziel dieser Vorschrift ist, die Lebenssituation von Kindern zu stabilisieren. Das Kindeswohl wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Dazu gehört der Kindeswille, aber auch beispielsweise die Erziehungseignung des Elternteils, bei dem das Kind wohnt.

 

Hier kamen Sachverständige und Jugendamt zum Ergebnis, dass die Kinder schon keine unabhängige Entscheidung getroffen hatten. Der überfürsorgliche Vater, der die Trennung von den Kindern nur schwer verkraftete, hatte den Kindeswillen maßgeblich beeinflusst. Den Kindern wurde deutlich vermittelt, was der Wunsch des Vaters war und dass sie sich für oder gegen ihn entscheiden mussten („Koalitionsdruck“). Ob der Vater die Kinder aus seiner Sicht bewusst beeinflusste oder nicht, ist dabei nachrangig.

Indem der Vater seine eigenen Bedürfnisse nicht zurückstellen und den Kindern Freiräume gewähren konnte, beeinflusste er nicht nur den Kindeswillen. Er zeigte hierdurch auch eine erheblich geringere Erziehungseignung und Bindungstoleranz als die Mutter, die mit dem Vater immer gut zusammengearbeitet hatte.

 

Im Ergebnis blieb es daher beim Aufenthaltsbestimmungrecht der Mutter.

(BGH, Beschluss vom 27.11.2019, Az. XII ZB 511/18)