Nicht in allen Fällen weiß der Angehörige nach dem Todesfall über seine Rechte Bescheid. Bin ich Erbe oder steht mir ein Pflichtteil zu? Welche Vermögenswerte hatte der Erblasser? Wie Sie diese Informationen über Erbe und Pflichtteil beschaffen können, wer Ihnen zur Auskunft verpflichtet ist und wem Sie Auskunft zu geben haben, erklärt Rechtsanwältin Uta von Lonski in diesem Artikel.
Verstirbt ein naher Angehöriger, so ist in der Mehrzahl der Fälle alles schnell geklärt. Es gilt die gesetzliche Erbfolge oder ein Ehegattentestament. Der Erbe stand dem Erblasser nahe und weiß in dessen Vermögensangelegenheiten Bescheid. Der Pflichtteilsberechtigte wird als Schlusserbe zum Zuge kommen und macht den Pflichtteil nicht geltend oder bekommt eine freiwillige Leistung des Erben als seinen „Anteil“.
Es gibt aber auch andere Konstellationen, in denen die Ansprüche alles andere als klar sind. Ganz typisch sind diese Fälle:
- Der verwitwete Erblasser lebte in unehelicher Lebensgemeinschaft. Seiner Partnerin war er lange und eng verbunden. Es gibt ein Berliner Testament aus der Ehe, das die Kinder als Schlusserben einsetzt. Nach dem Tod behauptet die Lebensgefährtin, den Hausstand habe der Verstorbene ihr hinterlassen und im Übrigen habe sie den Kindern nichts zu sagen.
- Das Kind ist schon vor Jahrzehnten ins Ausland verzogen. Der verwitwete Elternteil hat mit einem Freund zusammengelebt, mit dem es gegenseitige Vorsorgevollmachten über den Tod hinaus gab. Der Freund hat die Wohnung gekündigt und die Beerdigung organisiert. Das Kind weiß weder, ob es ein Testament gibt noch hat es Kontakt zu dem Freund.
- Die verwitwete Erblasserin hat zwei Kinder, von denen eines vor Ort lebt, die Pflege organisiert und Bankvollmachten hat. Sie verstirbt ohne Testament. Das weiter entfernt lebende Kind verlangt von dem Kind vor Ort Informationen über den Nachlass. Diese werden verweigert mit dem Argument, „Du kannst dich auch mal um etwas kümmern.“
- Mit dem weiter entfernt wohnenden Kind ist es vor dem Tod zum Streit gekommen, daraufhin hat die Mutter es enterbt. Der Bruder vor Ort verweigert Zugang zum Haus und zu den Unterlagen. Die Bank, bei der die Erblasserin immer ihre Geschäfte hatte, verweigert ebenfalls die Auskunft.
Für die Frage, wie denn nun die notwendigen Informationen zu beschaffen sind, ist zu unterscheiden:
- Um welche Information geht es (Erbenstellung oder Nachlass)?
- Wer verlangt die Information (Erbe oder Pflichtteilsberechtigter)?
- Von wem kann die Information gefordert werden (Nachlassgericht, Erbe, Miterbe)?
Die Information über die Erbschaft
Für die Erbfolge gibt es zwei Möglichkeiten:
- Der Erblasser hat eine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) gemacht.
Oder:
- Es gilt die gesetzliche Erbfolge.
Ist eine letztwillige Verfügung beim Notar oder beim Nachlassgericht hinterlegt, wird diese von Amts wegen vorgelegt und eröffnet, sobald das Standesamt den Erbfall mitteilt.
Befindet sich eine solche Verfügung in privater Hand, besteht die gesetzliche Verpflichtung, diese sofort beim Nachlassgericht abzuliefern. Wer dies nicht tut, kann sich wegen Urkundenunterdrückung strafbar machen.
Das Nachlassgericht informiert:
- Bei Vorliegen einer oder mehrerer Verfügungen alle darin genannten Erben, Vermächtnisnehmer und ausgeschlossene gesetzliche Erben (Pflichtteilsberechtigte).
- Bei Vorliegen keiner Verfügung: niemanden, es sei denn, der gesetzliche Erbe schlägt das Erbe aus – dann wird der jeweils Nächste in der Erbfolge benachrichtigt.
Bestehen Zweifel, etwa weil eine Person das Vorliegen eines Testaments zu ihren Gunsten behauptet, kann Akteneinsicht in die Nachlassakte genommen werden.
Die Information über den Pflichtteil
Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch gegen den oder die Erben. Weder besteht ein Anspruch auf bestimmte Nachlassgegenstände noch kann der Pflichtteil oder eine Auskunft darüber von Dritten, z.B. der Bank gefordert werden.
Da der Pflichtteilsberechtigte kein direktes Recht am Nachlass hat – z.B. kein Recht, das Haus des Erblassers zu betreten, um nach Unterlagen zu suchen -, hat er einen Auskunftsanspruch gegen die Erben. Die Erben haben auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis zu errichten, das die wertbildenden Faktoren enthalten muss, damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch beziffern kann. Auf Verlangen muss der Erbe auch ein Wertgutachten einholen. Um dessen Kosten verringert sich der Nachlass.
Bestehen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Verzeichnisses, muss der Erbe dies an Eides statt versichern.
Die Information über das Erbe
Wer Erbe ist, hat mit dem Erbfall alle Rechte, die dem Erblasser zustanden. Daraus ergeben sich weitreichende Informationsrechte, z.B. gegenüber Geschäftspartnern wie der Bank. Grundsätzlich ist der Erbe auch verpflichtet, sich diese Information selbst zu beschaffen, z.B. durch Durchsuchung der Wohnung nach Unterlagen und Kontaktaufnahme zu Banken und Versicherungen.
Besteht eine Erbengemeinschaft, so ist zu beachten, dass jeder Erbe die Auskunft verlangen kann, jedoch – ebenso wie die Leistung – nur an alle Erben gemeinsam.
Wegen dieser weitreichenden Befugnisse, sich selbst die Informationen zu verschaffen, gilt:
Die Erben untereinander sind grundsätzlich nicht zur Auskunft verpflichtet. Ausnahmen gelten, wenn sie bereits für die Erbengemeinschaft tätig waren, wenn sie anrechnungs- oder ausgleichungspflichtige Zuwendungen erhalten haben und wenn ein Erbe ausnahmsweise über Informationen verfügt, auf die der andere keinen zumutbaren Zugriff hat.
Der Erbe hat auch einen Auskunftsanspruch gegen den Hausgenossen und den Erbschaftsbesitzer, mag dies ein Miterbe sein oder auch ein Dritter.
Erbschaftsbesitzer ist, wer etwas erhalten – oder behalten – hat, indem er sich berühmt hat, Erbe zu sein. Da dies insbesondere seitens eines Dritten ein schwerer Übergriff ist, besteht gegen den Erbschaftsbesitzer auch ein Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, dessen Richtigkeit und Vollständigkeit notfalls sogar beeidet werden muss.
Der Hausgenosse des Erblassers hat Auskunft zu erteilen, soweit er für den Nachlass Geschäfte geführt hat. Außerdem hat er über den Verbleib des Nachlasses Rede und Antwort zu stehen.
Haben Sie Fragen, zum Erbe, zum Pflichtteil oder zur Nachlassgestaltung? Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung.
Ihre Rechtsanwältin von Lonski