Weshalb die Auseinandersetzungen um den Unterhalt trotz der Düsseldorfer Tabelle nicht abreißen, und wie Sie sich im Streitfall richtig verhalten, erläutert der folgende Artikel.

 

Warum eigentlich gibt es so viele Auseinandersetzungen um den Unterhalt? Es gibt doch die Düsseldorfer Tabelle, oder? Da kann sich jeder selbst ausrechnen, was der richtige Unterhalt ist.

Wenn es so einfach wäre!

Jedes Jahr gehen tausende Unterhaltsanträge bei den Familiengerichten ein, weil die Beteiligten sich nicht einig werden. Warum das so ist, bei welchen Fragestellungen Sie aufhorchen (und nicht nur in die Düsseldorfer Tabelle schauen) sollten, und welchen Umgang ich mit unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten empfehle, lesen Sie im folgenden Artikel.

Gibt es überhaupt einen Anspruch?

Gerade beim Ehegattenunterhalt besteht oft schon keine Einigkeit, was den Anspruchsgrund angeht. Sind die Kinder, die einen Vollzeit-Platz in der Kita haben, betreuungsbedürftig? Muss die Hausfrau mit 50 Jahren noch eine Arbeitsstelle suchen? Und was, wenn der Ex ihr eine neue Ausbildung finanzieren soll? Das Gesetz benennt zwar Unterhaltstatbestände (Betreuungsunterhalt usw.), ob diese aber im Einzelfall einschlägig sind, muss geprüft werden – durch die Beteiligten, ihre Anwälte und letzten Endes durch das Familiengericht.

Beim Kindesunterhalt beginnen die Schwierigkeiten nach dem Schulabschluss. Was ist eine angemessene Ausbildung? Muss jedem ein Studium finanziert werden? Was, wenn die Noten zu wünschen übrig lassen, wenn der Studiengang gewechselt oder eine ergänzende Ausbildung angestrebt wird?

Das Problem mit der Leistungsfähigkeit

Auch wenn dem Grunde nach kein Zweifel am Unterhaltsanspruch besteht, herrscht nicht immer Einigkeit. Typische Streitfragen sind:

  • Wie niedrig darf der Selbstständige/Unternehmer seine Gewinne rechnen, z.B. durch Abschreibungen und Rückstellungen?
  • Welche Abzüge sind beim Angestellten angemessen, was z.B. Fahrtkosten und private Vorsorge angeht?
  • Was geschieht mit dem Anspruch, wenn der Pflichtige arbeitslos oder Hausmann ist, oder wenn das Einkommen nicht für alle Unterhaltsberechtigten ausreicht? Oder wenn derjenige, bei dem das Kind lebt, viel mehr verdient als der Pflichtige?
  • Profitieren Kinder und Ehegatte von Gehaltssprüngen nach der Trennung? Vom abgezahlten Eigenheim? Von einem Einkommen weit jenseits der Düsseldorfer Tabelle?
Das Problem mit dem Bedarf

Die Düsseldorfer Tabelle enthält Stufen, an denen sich der Kindesunterhalt (Bedarf) ablesen lässt. Auch zum Ehegattenunterhalt finden sich dort Rechenformeln.

Die Tabellenbeträge sind jedoch nur ein Teil des Kindesunterhalts. Klavierunterricht und Zahnspange, Reitstunden und Nachhilfe sind im Tabellenunterhalt nicht unbedingt enthalten. Über den sogenannten Mehr- und Sonderbedarf, dessen Notwendigkeit und Verteilung zwischen den Eltern wird oft erbittert gestritten.

Rechenschwierigkeiten bereitet das immer beliebtere Wechselmodell. Die Düsseldorfer Tabelle lässt sich hierauf zwar anwenden, wie genau das geht, ist aber kompliziert und der Tabelle nicht zu entnehmen. Ganz schwierig wird es, wenn ein Elternteil erweiterten Umgang hat, der über jedes 2. Wochenende und die Hälfte der Ferien hinausgeht, aber die 50/50 des Wechselmodells nicht erreicht werden. Dann bleibt dieser Elternteil unterhaltspflichtig, aber der Unterhalt „kann herabgestuft werden“. Was soll das heißen?

Ein sensibler Punkt beim Ehegattenunterhalt ist der Anspruch des arbeitenden Ehegatten auf Aufstockungsunterhalt, der unter besonderen Voraussetzungen steht und begrenzt und befristet werden „kann“. Nicht selten ist mittlerweile auch der Fall, dass der betreuende Elternteil schon vor Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes arbeitet. Kann dieses überobligatorische Einkommen vom Unterhalt abgezogen werden?

Begrenzung und Ausschluss im Einzelfall

Beim Ehegattenunterhalt ist häufig eine sogenannte Angemessenheitsprüfung vorzunehmen – das heißt, es muss im Einzelfall ein beiden Seiten gerecht werdendes Ergebnis gefunden werden. Folgende Punkte fließen in die Abwägung ein:

  • Was kann dem Bedürftigen zugemutet werden? (Arbeit, Vermögenseinsatz, persönliche Einschränkung…)
  • Was kann dem Verpflichteten zugemutet werden? (ebenso)
  • Und was ist vielleicht gänzlich unzumutbar? (z.B. Unterhaltszahlung an einen Partner, der die eheliche Solidarität verletzt hat oder in einer neuen eheähnlichen Gemeinschaft lebt)

Diese Fragen lassen sich nicht in einer einfachen Tabelle abbilden.

Heißt das jetzt, wir müssen uns alle um den Unterhalt streiten?

Ganz im Gegenteil! Hier geht es darum, ein Bewusstsein zu wecken dafür, dass es ganz normal ist, zum Unterhalt unterschiedliche Vorstellungen zu haben.

Das Wissen, dass es den objektiv „richtigen“ Unterhalt häufig nicht gibt, kann auch entlasten. Der (Ex-) Partner ist nicht unbedingt uneinsichtig, wenn er zu einem anderen Rechenergebnis kommt. Das Familiengericht würde vielleicht keine von den beiden ausgerechneten Summen zusprechen, sondern auf einen anderen – dritten – Betrag kommen.

Für Sie bedeutet das, sich von vornherein darauf einzustellen, aufeinander zuzugehen und eine von beiden Seiten als angemessen erachtete Lösung zu finden.

Hat es dann gar keinen Sinn, den Unterhalt gerichtlich durchzusetzen?

Auch hier gilt: ganz im Gegenteil! Zahlt der Pflichtige nicht, oder gibt der Berechtigte immer nur nach, rate ich unbedingt, die Ansprüche schnell und stringent durchzusetzen. Bedenken Sie, dass der Unterhalt langfristig läuft. Ein jetzt noch tragbar erscheinender monatlicher Verlust ergibt, über Jahre betrachtet, schnell eine vier- oder fünfstellige Summe. Überdies drohen Verwirkung und Verjährung, wenn eine zu geringe Zahlung dauerhaft hingenommen wird.

Was viele nicht wissen: Auch wenn kein Streit herrscht, hat der Berechtigte einen Anspruch darauf, einen vollstreckbaren Unterhaltstitel zu bekommen – ob vom Jugendamt, vom Notar oder vom Gericht. Hierauf sollte keinesfalls verzichtet werden. Falls der Pflichtige plötzlich die Zahlungen einstellt, ist der Berechtigte mit einem Titel handlungsfähig. Er stärkt seine Position aber auch für Fälle, an die zunächst keiner denkt, wie beispielsweise Insolvenz oder Tod des Pflichtigen.

 

Gerne bin ich Ihnen, mit Beratung, mit Vermittlung und auch mit der gerichtlichen Durchsetzung, behilflich.

Ihre Rechtsanwältin von Lonski

 

*Dieser Artikel kann nur allgemeine Hinweise geben, ohne im Einzelfall verbindlich zu sein, und ersetzt nicht die individuelle, qualifizierte Rechtsberatung.