Der Pflichtteilsberechtigte

 

Es gibt die verschiedensten Gründe, weshalb gesetzliche Erben testamentarisch oder vertraglich enterbt werden. Im besten Fall ist man zuvor „ausbezahlt“ worden, im schlechtesten Fall hat man gegen das Lieblingskind keine Chance gehabt. Tritt dann der Erbfall ein, stellt sich die Frage, wie man am besten den Pflichtteilsanspruch durchsetzen und optimieren kann.

 

Pflichtteilsberechtigt sind grundsätzlich Ehegatten, Abkömmlinge und Eltern des Erblassers, sofern sie ohne die Enterbung zu gesetzlichen Erben berufen wären. Außerdem darf kein Pflichtteilsverzicht vorliegen, wie er häufig bei vorweggenommener Erbfolge vereinbart wird.

 

Der Pflichtteil hat den halben Wert des gesetzlichen Erbteils. Doch wie verhält es sich, wenn der Nachlass nicht mehr viel hergibt, weil der Erblasser sein Vermögen schon zu Lebzeiten verschenkt, übertragen oder andere damit unterstützt hat?

 

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch, § 2325 BGB

 

Relativ gut bekannt ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der bei Schenkungen in den letzten 10 Jahren vor dem Tode besteht. Hierbei ist es irrelevant, wen der Erblasser beschenkt hat. Auch wenn die Schenkung anderen als den Erben zu Gute kam, hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Ergänzung.

 

Dieser Anspruch wird über 10 Jahre abgeschmolzen, so dass z.B. nach 5 Jahren eine Ergänzung nur noch anteilsmäßig aus 50 % der Schenkung erfolgt. Der Pflichtteilsanspruch einschließlich Ergänzung wird aus dem Nachlass, zuzüglich der (gegebenenfalls abgeschmolzenen) Schenkung berechnet.

 

Häufig ist die 10-Jahres-Frist des Pflichtteilsergänzungsanspruchs längst abgelaufen. Ein typischer Fall ist beispielsweise, wenn der Erblasser einem seiner Kinder beim Hausbau oder der Geschäftsgründung geholfen hat. Für solche Fälle hält das Gesetz besondere Vorschriften bereit, die nur für die Anrechnung und Ausgleichung unter den Abkömmlingen des Erblassers gelten:

 

Die Anrechnungsbestimmung, § 2315 BGB

 

Hat der Erblasser bei der Zuwendung bestimmt, dass eine Zuwendung auf den Pflichtteil des Empfängers anzurechnen ist, kann dies den Pflichtteil des anderen erhöhen. Die Anrechnungsbestimmung ist grundsätzlich formfrei. Sie muss aber spätestens bei Erbringung der Zuwendung vorliegen und dem Zuwendungsempfänger bekannt sein. Eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung ist nicht zulässig.

 

Berechnet wird die Ausgleichung folgendermaßen:

Schritt 1: Berechnung des Nachlasses unter Hinzurechnung des Erlangten.

Schritt 2: Berechnung der gesetzlichen Erbteile hieraus.

Schritt 3: Abzug der Leistung vom Erbteil beim Ausgleichspflichtigen.

Schritt 4: Teilt man die Ergebnisse von Schritt 2 (der nicht Ausgleichsverpflichteten) bzw. Schritt 3 (der Ausgleichsverpflichteten) durch zwei, erhält man den jeweiligen Pflichtteilsanspruch.

 

Die Ausgleichung, § 2316 BGB

 

Bestimmte Leistungen des Erblassers sind auch ohne Anrechnungsbestimmung zu berücksichtigen. Der Erblasser kann dies für den Pflichtteil auch nicht ausschließen. Hierzu zählen insbesondere Ausstattungen anlässlich von Heirat oder Existenzgründung und übermäßige Zuschüsse zu Ausbildung und Unterhalt.

 

Diese Zuwendungen sind wie bei § 2315 BGB beschrieben auf den Pflichtteil anzurechnen und dadurch auszugleichen.

 

Berücksichtigung von Leistungen des Pflichtteilsberechtigten, § 2057a BGB

 

Hat der Pflichtteilsberechtigte sich besonders für den Verstorbenen eingesetzt und dadurch sein Vermögen gemehrt oder Aufwendungen erspart, ist auch dies zu berücksichtigen. Das häufigste Beispiel sind Pflegeleistungen, durch die manchmal sogar ein teurer Heimaufenthalt erspart wird. Auch Mitarbeit im Beruf/Geschäft des Erblassers fällt unter diese Vorschrift.

 

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in aller Regel eine genaue Berechnung weder möglich noch sachdienlich ist. Muss ein Gericht entscheiden, so wird eine Angemessenheitsprüfung durchgeführt.

 

Die Ausgleichung erfolgt genau umgekehrt wie oben:

Schritt 1: Berechnung des Nachlasses unter Abzug der Leistung.

Schritt 2: Berechnung der gesetzlichen Erbteile hieraus.

Schritt 3: Addierung der Leistung zum Erbteil des Ausgleichsberechtigten.

Schritt 4: Teilt man die Ergebnisse von Schritt 2 (der nicht Ausgleichsberechtigten) bzw. Schritt 3 (des Ausgleichsberechtigten) durch zwei, erhält man den jeweiligen Pflichtteilsanspruch.

 

Ein Tipp zum Schluss:

 

Denken Sie daran, dass der Pflichtteilsanspruch Ihnen nicht automatisch zufällt und verjähren kann. Er muss geltend gemacht, also von den Erben verlangt werden. Erfüllen die Erben ihn nicht, muss er innerhalb der Verjährungsfrist (in der Regel 3 Jahre ab Kenntnis zum Jahresende) gerichtlich eingeklagt werden.

 

Für Fragen zum Pflichtteil und Beratung über Testamente stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

 

Ihre Rechtsanwältin von Lonski

 

*Dieser Artikel kann nur allgemeine Hinweise geben, ohne im Einzelfall verbindlich zu sein, und ersetzt nicht die individuelle, qualifizierte Rechtsberatung.